Die Corona-Pandemie gilt inzwischen auch offiziell als beendet. Während für die meisten Europäer wieder der normale Alltag eingekehrt ist, haben zahlreiche Unternehmen spürbare Blessuren davongetragen. 140.000 Unternehmen mussten im vergangenen Jahr ihre Türen für immer schließen, ein Plus von 24,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das sind aktuelle Zahlen der Wirtschaftsauskunftei Creditreform zum Stand der Unternehmens-insolvenzen in Europa.
Nach der Corona-Pandemie kam die Energiekrise
Creditreform sieht den Hauptgrund für den Anstieg der Unternehmensinsolvenzen in den zahlreichen Belastungen, mit denen Unternehmen im Jahr 2022 konfrontiert waren. Insbesondere die steigenden Preise für Energie und Rohstoffe waren für viele Unternehmen nicht mehr tragbar. Hinzu kamen höhere Finanzierungskosten aufgrund der Zinswende und insgesamt eine nachlassende Konjunktur. Ludwig Hantzsch, Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung, erklärt: „Das Ende der Corona-Pandemie markierte den Beginn eines kurzen wirtschaftlichen Aufschwungs in Europa, der dann durch den Krieg in der Ukraine abrupt gestoppt wurde. Die anschließende Energiekrise traf die Wirtschaft unvorbereitet und mit voller Wucht. Viele bereits angeschlagene Unternehmen konnten den zusätzlichen Belastungen nicht standhalten.“
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Vorkrisenniveau noch nicht erreicht
In den Jahren 2020 und 2021 gab es nur sehr wenige Unternehmensinsolvenzen, da viele Unternehmen durch Corona-Hilfszahlungen, Kurzarbeitergeld und die ausgesetzte Insolvenzanmeldepflicht in Deutschland geschützt waren. Dies führte jedoch zu einer signifikanten Zunahme sogenannter Zombieunternehmen. Es stellt sich nun die Frage, ob der erneute Anstieg eine Trendumkehr oder eine Normalisierung signalisiert. Hantzsch geht davon aus, dass es sich um einen Nachholeffekt handelt, der zu einer Rückkehr zu normalen Insolvenzzahlen führt. Das Vorkrisenniveau ist jedoch noch nicht erreicht, daher wird auch für 2023 mit einem Anstieg der Unternehmensinsolvenzen gerechnet.
Vor einigen Wochen kam der Kreditversicherer Allianz Trade zu einer ähnlichen Einschätzung. In seiner jüngsten Insolvenzstudie erwartet der Versicherer für Deutschland in diesem Jahr einen Anstieg von etwa 22 Prozent und weltweit einen Anstieg um durchschnittlich 21 Prozent. Laut Milo Bogaerts, CEO von Allianz Trade in Deutschland, Österreich und der Schweiz handelt es sich immer noch nicht um eine Pleitewelle, obwohl ein zweistelliger Anstieg zunächst diesen Eindruck erwecken könnte. Die Insolvenzzahlen in Deutschland waren zuletzt jedoch auf einem historisch niedrigen Niveau. Selbst Ende 2023 wird Deutschland das Niveau vor der Pandemie noch nicht erreicht haben. Dies dürfte erst nach einem weiteren Anstieg der Insolvenzen um 6 Prozent im Jahr 2024 leicht überschritten werden.
Österreich mit den meisten Unternehmensinsolvenzen
Besonders stark betroffen von Unternehmensinsolvenzen ist Österreich. Die Zahlen unterscheiden sich jedoch erheblich in den verschiedenen europäischen Ländern. In Westeuropa, das die 14 größeren EU-Mitgliedsstaaten, Großbritannien, die Schweiz und Norwegen umfasst, stiegen die Unternehmensinsolvenzen um 24,2 Prozent. Osteuropa verzeichnete hingegen einen Anstieg um 53,5 Prozent. Österreich war eines der am stärksten betroffenen Länder (+59,7 %), gefolgt von Großbritannien (+55,9 %). In Österreich erreichte die Zahl der Unternehmensinsolvenzen mit 4.913 den höchsten Stand seit 2019. Über die Hälfte der Insolvenzen betraf den Handel und die Gastronomie. Ein möglicher Grund hierfür könnten die während der Corona-Pandemie gewährten umfangreichen Unterstützungszahlungen sein. Österreich hat in dieser Hinsicht deutlich mehr Geld aufgewendet als andere europäische Länder.
Es gibt jedoch auch positive Entwicklungen, zum Beispiel in Griechenland, Italien und Portugal, wo die Insolvenzanmeldungen rückläufig waren. In Osteuropa stiegen die Insolvenzen dagegen besonders stark an, vor allem in Ungarn, Bulgarien und Litauen. Auch in der Türkei wurden 24.303 Unternehmensinsolvenzen gemeldet, ein Anstieg von 41,4 Prozent.
Wann gilt ein Unternehmen als insolvent?
Nicht in allen europäischen Ländern sind die Voraussetzungen für eine Unternehmensinsolvenz identisch. Das liegt an unterschiedlichen Gesetzgebungen und hat Auswirkungen auf die Insolvenzstatistik. In Deutschland gilt ein Unternehmen als insolvent, wenn es seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen kann oder seine Verbindlichkeiten nicht durch Vermögenswerte gedeckt sind. In einigen europäischen Ländern werden Unternehmen einfach geschlossen, ohne dass ein Insolvenzverfahren eröffnet wird. Zudem ist der Kreis der Gewerbetreibenden und Unternehmen, die in die Insolvenzstatistik einfließen, nicht immer identisch. In Italien werden beispielsweise landwirtschaftliche Betriebe nicht berücksichtigt, während sie in den meisten anderen Ländern mitgezählt werden.
Handel und Gastronomie stark betroffen
Insolvenzen sind ein normaler Vorgang in einer Volkswirtschaft und ein wichtiger Indikator für die wirtschaftliche Entwicklung. Dies zeigt sich auch in der aktuellen Statistik. Obwohl die Insolvenzzahlen in allen Wirtschaftsbereichen, insbesondere aufgrund der Energiekrise, gestiegen sind, war der Anstieg im Handel und im Gastgewerbe besonders deutlich. Beide Branchen waren von der Corona-Pandemie stark betroffen und leiden weiterhin unter der aktuellen wirtschaftlichen Entwicklung. Die Unternehmensinsolvenzen in diesem Bereich stiegen um 34,5 Prozent. Im Baugewerbe erhöhten sie sich um 24,7 Prozent, im Dienstleistungsgewerbe um knapp 20 Prozent und im verarbeitenden Gewerbe um rund 13 Prozent.
Ausblick stimmt leicht positiv
Die aktuellen Zahlen zu den Unternehmensinsolvenzen liefern Hinweise darauf, dass die Belastungen der Corona-Jahre allmählich verarbeitet werden. Die Bilanzkennzahlen aus dem Jahr 2021 deuten auf eine leichte wirtschaftliche Erholung der Unternehmen hin. Es gibt weniger Unternehmen mit negativer Gewinnmarge, und rund ein Fünftel der Unternehmen verzeichnet eine positive Gewinnmarge von mehr als 25 Prozent. Insbesondere der Handel konnte sich in dieser Hinsicht gut erholen.
Auch die Eigenkapitalquoten der Unternehmen haben sich positiv entwickelt. Der Anteil der Unternehmen mit einer Eigenkapitalquote von unter 10 Prozent, was als schwach kapitalisiert gilt, betrug 2021 etwa 22 Prozent, was einem Rückgang von 0,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Der Anteil der Unternehmen mit einer hohen Eigenkapitalquote von über 50 Prozent stieg um einen Prozentpunkt auf 47,2 Prozent – der höchste Wert seit 2012.
Ein ausgewogenes Portfolio mit Aktien aus allen Branchen ist von der Entwicklung ebenfalls betroffen. Aber durch die richtige Anlagestrategie, werden Verluste und das Risiko bei Insolvenzwellen minimiert.
Dies gilt auch für den Handel, der in vielen Fällen seine durch die Corona-Pandemie beeinträchtigte Eigenkapitalbasis deutlich verbessern konnte. Etwa 37 Prozent der Handelsunternehmen in Westeuropa gelten als gut kapitalisiert. Trotz der verbesserten Ergebnisse spiegeln die Unternehmensbilanzen immer noch die negativen Auswirkungen der Corona-Zeit wider. Die geringe Stabilität der Unternehmen bleibt eine Angriffsfläche für zukünftige Krisen. Eine positive Entwicklung sind jedoch rückläufige Forderungslaufzeiten, die den Lieferanten und Dienstleistern wieder schneller Liquidität verschaffen.