Wer sich dieser Tage mit dem Gedanken trägt, Bargeld, Gold oder wertvolle Dokumente in einem Schließfach einzulagern, könnte ein böse Überraschung erleben. Denn den Banken gehen allmählich die freien Schließfächer aus. Vor allem in Städten boomt die Nachfrage so sehr, dass Kunden mit langen Wartezeiten rechnen müssen. Die Geldhäuser haben zunehmend Probleme, das Angebot zu befriedigen. Denn die Schließfächer sind in der Regel fest im Tresorraum der Bank verankert und ihre Anzahl kann somit nicht einfach erhöht werden.
Schließfächer bei Banken sind Mangelware
„Die Nutzung der Schließfächer hat in den letzten Monaten extrem zugenommen“, zitiert die Augsburger Allgemeine Sandra Gessner von der Sparkasse Allgäu. Rund 1500 der 1900 Schließfächer der Allgäuer Sparkasse seien bereits vermietet. Die etwas kleine Variante, die vorwiegend von Privatkunden genutzt werden, ist sogar restlos ausgebucht. „Die Auslastung ist dreimal höher als noch vor vier Jahren.“ Auch in anderen Regionen Bayerns seien Schließfächer Mangelware, berichtet die Ausgburger Allgemeine weiter. Demnach seien bei der Landsberger Sparkasse bereits 80 Prozent aller Schließfächer vermietet. „In einigen kleineren Filialen sind alle komplett vermietet“, zitiert das Blatt Matthias Wittmann, stellvertretendes Vorstandsmitglied der Sparkasse Landsberg.
Und der Trend beschränkt sich nicht allein auf Bayern, sondern ist in ganz Deutschland zu erkennen. „Das beobachten wir schon länger. Es gibt mittlerweile bei vielen Banken sogar Wartelisten für die Schließfächer, weil die Nachfrage so groß ist“, sagte Julia Topar vom Bundesverband deutscher Banken gegenüber der Welt. Tresor-Hersteller schieben daher Überstunden, um die Banken beim Ausbau ihres Angebots zu unterstützen. „Wir verkaufen im Jahr rund 20.000 Schließfächer an Banken – und der Bedarf steigt weiter“, zitiert das Blatt den Tresor-Fabrikanten Peter Krebs, Geschäftsführer der Essener Geldschrankfabrik (EGF).
Kosten für ein Schließfach plus Versicherung
Ein großes Schließfach, in dem etwa ein Reisekoffer Platz findet, kostet bei der Sparkasse 295 Euro im Jahr. Ein kleineres Bankschließfach ist schon ab etwa 20 Euro zu haben. Das größte Schließfach (mit 151,1 Liter Volumen) bei der Frankfurter Sparkasse kostet mit 730 Euro.Kunden, die ein Bankschließfach mieten, können bei der Bank auch die Versicherungssumme festlegen.
Doch es gibt preisliche Unterschiede bei den Geldhäusern, wie die FAZ berichtet. Bei der Deutschen Bank beträgt der Versicherungswert etwa 0,57 Euro für je 1000 Euro Versicherungswert. Bei der Commerzbank liegen die Kosten abhängig vom Versicherungsumfang bei 0,65 bis 0,95 Euro je 1000 Euro. Auch die Höhe der versicherten Summen unterscheidet sich stark und reicht von 2000 Euro (Frankfurter Volksbank) bis hoch zu 128.000 Euro (Sparda-Bank Hessen).
Viele Bürger haben nach der Finanzkrise einen Teil ihres Vermögens in Gold angelegt. So wollen sie einer plötzlichen Inflation vorbeugen und sich gegen die nächste Wirtschaftskrise absichern. Doch zu sicheren Lagerung der Edelmetall-Bestände ist ein Schließfach nötig. Doch wer Gold in einem Schließfach lagern möchte, zahlt in der Regel zusätzlich Versicherungskosten in Höhe von etwa 0,1 Prozent des Goldwertes.
Niedrigzinsen, Einbruchswelle, Bargeldverbot
Ein Grund für die starke Nachfrage nach Schließfächern ist die Zunahme von Diebstählen und Einbrüchen in Deutschland. Im letzten Jahr verzeichneten die Hausratversicherer über 500 Millionen Euro Schäden durch Einbrüche. Zuletzt wurde diese Marke Anfang der neunziger Jahre erreicht. Vor allem die Zahl der Wohnungseinbrüche ist drastisch gestiegen. Laut der bundesweiten Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) wurden 167.136 Fälle polizeilich registriert. Das führt dazu, dass die Bürger ihre Wertsachen lieber in einem Bankschließfach lagern wollen als in der eigenen Wohnung. Der anhaltende Zustrom von Migranten trägt zusätzlich zur Verunsicherung der Bevölkerung bei, ebenso wie ein vielfach diskutiertes Bargeldverbot.
Doch den Hauptgrund für die gestiegene Nachfrage nach Schließfächern sehen Bankmitarbeiter in der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Die Bankkunden lagern ihr Bargeld lieber im Schließfach als auf einem Sparkonto, das effektiv kaum Zinsen abwirft. Die EZB hat den Leitzins in der Eurozone im März auf null Prozent gesenkt. Zuvor lag er noch bei 0,05 Prozent. Zudem werden für Geschäftsbanken, die ihre Geldbestände über Nacht bei der EZB parken wollen, künftig Strafzinsen in Höhe von 0,4 Prozent fällig. Zuvor lagen die Strafzinsen noch bei 0,3 Prozent. Die EZB will die Geschäftsbanken dadurch zwingen, mehr Kredite an die Realwirtschaft zu vergeben.
Noch erheben die meisten Banken keine Strafzinsen auf Kontoeinlagen von Privatkunden, sondern lediglich bei einigen Geschäftskunden. Doch es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch Privatkunden künftig dafür zahlen müssen, dass sie ihr Geld auf einem Bankkonto haben dürfen. Die deutschen Finanzämter haben sich schon auf negative Zinsen vorbereitet. Steuerzahler können die von den Banken erhobenen Strafzinsen nicht im Rahmen der Abgeltungsteuer als Verlust geltend machen. Denn nach Ansicht der Steuerbehörden sind negative Einlagenzinsen keine Zinsen, sondern eine „Art Verwahr- und Einlagegebühr“.
Banken und Versicherer weichen auf Tresore aus
Die Strafzinsen der EZB führen dazu, dass sogar Banken und Versicherungen erwägen, ihre Bargeld-Reserven in Tresoren zu lagern. So empfahl der bayerische Sparkassenverband den angeschlossenen Instituten, physisches Bargeld lieber im eigenen Tresor zu lagern als bei der EZB. Das kostet laut bayerischem Sparkassenverband zusammen 0,1785 Prozent. Hinzu kommen möglicherweise noch Ausgaben für zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen und Geldtransporte. Doch insgesamt sei die Bargeldlagerung im eigenen Safe für die Sparkassen immer noch deutlich preiswerter als der EZB-Strafzins.
Und auch große Versicherer planen bereits, ihre Bargeld- und Gold-Reserven in Tresoren zu lagern. So gab die Münchner Rück, einer der weltweit größten Rückversicherer bekannt, künftig eine zweistellige Millionensumme Bargeld im eigenen Haus lagern. Das Unternehmen wolle testen, wie die Geldeinlagerung im eigenen Haus funktioniere und ob sich dadurch Kosten sparen ließen. Vorstandschef Nikolaus von Bomhard griff die EZB für Geldpolitik scharf an. „Das ist das offizielle Ende der Geldpolitik“, sagte er auf der Bilanzpressekonferenz des Unternehmens, Er halte es für „befremdlich“, dass die Politik bisher nichts zur Umverteilung zu Lasten der Armen zu sagen habe. Nur Großanleger wie Hedgefonds oder Staatsfonds könnten den niedrigen Zinsen ausweichen.