Oliver Flaskämper ist Gründer und Vorstand der Bitcoin Deutschland AG. Das in Herford/Ostwestfalen ansässige Unternehmen betreibt Europas größten Online-Marktplatz für die Krypto-Währung Bitcoin. Auf www.bitcoin.de werden jeden Monat Bitcoins im Wert von mehreren Millionen Euro gehandelt.
FerryHouse: Herr Flaskämper, neben Ihrer Tätigkeit als Vorstand der Bitcoin Deutschland AG sind Sie unter anderem Vorstand der Priority Aktiengesellschaft, geschäftsführender Direktor der AE Innovative Capital SE sowie Gründer der greatcontent AG, der Denkwerk Herford Betriebs GmbH und der content.de AG. Wie viel Ihrer Energie stecken Sie in Bitcoin Deutschland?
Oliver Flaskämper: Das Bitcoin-Projekt beansprucht mindestens 90 Prozent meiner Zeit. Das ist spannend und macht viel Spaß. Wir haben aber eine Reihe ganz unterschiedlicher Projekte in unserer Firmengruppe, die content.de AG zum Beispiel. Da habe ich viele Jahre lang mitgemacht. Alle unsere Projekte haben irgendwie mit dem Internet zu tun.
Wir hatten auch mal das Affiliate-Netzwerk AdButler. Für alle unsere Ideen haben wir Teams zusammengestellt, die das dann operativ übernommen haben. Zudem bauen wir hier in Herford ein Gründerzentrum auf. Ich selbst bin operativ derzeit nur noch für bitcoin.de tätig. Aber auch da bin ich ja nicht allein.
Oliver Flaskämper erfährt 2011 erstmals über Bitcoin
FerryHouse: Wie haben Sie Bitcoin für sich entdeckt?
Oliver Flaskämper: Relativ spät. Ich habe erst Mitte 2011 bei Spiegel Online über Bitcoin gelesen. Und wenn der Spiegel über etwas schreibt, dann ist es ja fast schon Mainstream. Das Thema hat mich elektrisiert. Das hat mich so sehr fasziniert wie Ende der 90-er Jahre, als ich meine ersten Domains registriert habe. Ich habe dann Nächte lang nicht geschlafen und über Bitcoin gelesen. Das Thema hat mich nicht mehr losgelassen.
FerryHouse: Was waren die größten Hindernisse auf dem Weg von Bitcoin Deutschland, der größte europäische Marktplatz für Bitcoin zu werden?
Oliver Flaskämper: Wir hatten natürlich im Vorfeld bereits viele Erfahrungen mit Marktplätzen. Da gibt es einen Käufer, einen Verkäufer und in der Mitte einen technischen Dienstleister, der die beiden Seiten zusammenbringt und für einen reibungslosen Ablauf sorgt. Aber mit einer digitalen Währung und dem Bitcoin-Protokoll war das doch Neuland, gerade wenn es um Fragen der Sicherheit geht.
Aber wir hatten Zeit zu wachsen. Am Anfang war bitcoin.de ja nur ein schwarzes Brett, wo man Angebote einstellen konnte und über E-Mail miteinander in Kontakt treten konnte. Dann haben wir das zu einem Marktplatz weiterentwickelt. Wir sind aber nach wie vor keine Börse, sondern ein Vermittler. Unsere Webseite bringt Käufer und Verkäufer zusammen und organisiert die Bitcoin-Übergabe. Wir sind zu keinem Zeitpunkt im Besitz von Kundengeldern.
Dann hat sich die BaFin Mitte 2011 erstmals zum Thema Bitcoin geäußert. Vorher war noch nicht klar, was Bitcoin überhaupt ist. Die BaFin entschied, dass es sich dabei um Rechnungseinheiten handelt, das heißt Bitcoins sind Finanzinstrumente. Wer in Deutschland gewerblich etwas damit machen will, braucht also eine BaFin-Erlaubnis. In allen anderen Staaten der Europäischen Union ist dies bisher ohne Erlaubnis möglich.
Sogenannte Eigengeschäfte sind aber auch in Deutschland sowohl für Privatpersonen, als auch für Unternehmen erlaubnisfrei. Aber sobald Bitcoin-Geschäfte vereinfacht gesagt einen Dienstleistungscharakter für Dritte haben, wird es erlaubnispflichtig. Für die Zukunft von bitcoin.de hin zu einem Bitcoin-Marktplatz mussten wir dieses Problem dann lösen. Zufällig entdeckte ich in einem YouTube-Video von einer Bitcoin-Konferenz Matthias Kröner, Gründer und Vorstand der FIDOR Bank AG.
Bitcoin Deutschland AG nutzt Banklizenz der FIDOR Bank
Nach ersten Gesprächen hat uns die FIDOR Bank dann eine lange Liste mit Hausaufgaben aufgegeben, was wir an regulatorischen Erfordernissen umzusetzen hatten, und wir sind dann Mitte 2013 vertraglich gebundener Vermittler der FIDOR Bank geworden. Die Bitcoin Deutschland AG nutzt seitdem quasi einen Teil der Banklizenz der FIDOR Bank und vermittelt den Kauf und Verkauf von Bitcoins im Namen und Auftrag von FIDOR. Die Zusammenarbeit läuft hervorragend. Einen erfahrenen Partner an der Seite zu haben, ist vor allem im regulierten Finanzbereich viel wert.
Aufsichtsrechtlich ist es so, dass die Bitcoin Deutschland AG von der FIDOR Bank und die FIDOR BANK durch die BaFin und die Deutsche Bundesbank beaufsichtigt wird. Zudem werden die Bitcoin-Bestände unserer Kunden einmal im Jahr von einer öffentlich-rechtlich bestellten deutschen Wirtschaftsgesellschaft kontrolliert. Dabei wird überprüft und bestätigt, dass Bitcoin Deutschland tatsächlich über die Bitcoin-Menge verfügt, die die Kunden uns anvertraut haben.
FerryHouse: Im Februar dieses Jahres haben Sie zusammen mit der FIDOR Bank den „Express-Handel“ mit Bitcoin eingeführt. Wie wird das Angebot von Ihren Kunden angenommen?
Oliver Flaskämper: Das wird immer besser angenommen. Dieses Angebot kann nur dann genutzt werden, wenn mindestens der Käufer ein Konto bei der FIDOR Bank besitzt. Bis zu 20 Prozent aller Trades bei bitcoin.de werden bereits über den „Express-Handel“ abgewickelt. Und es werden immer mehr, denn der „Express-Handel“ hat erhebliche Vorteile.
Der Käufer muss dazu sein FIDOR-Bankkonto mit seinem Konto bei bitcoin.de einmalig verknüpfen und einen Euro-Betrag auf seinem Konto für den Bitcoin-Handel auf www.bitcoin.de reservieren. Aus diesem reservierten Betrag kann er bei bitcoin.de Käufe tätigen. Die Euro-Überweisungen an den Verkäufer werden dann sofort an den Verkäufer ausgeführt.
Bei Käufen, die nicht über den „Express-Handel“ bezahlt werden, kann es wie bei Ebay passieren, dass der Käufer nicht oder zu spät zahlt, sodass der Verkauf in letzter Konsequenz nicht zustande kommt und der Verkäufer also erneut versuchen muss, seine Bitcoins zu verkaufen. In circa 3 Prozent der Fälle kommt es zu solchen Verkaufsvertragsstörungen.
Durch den „Express-Handel“ hat der Verkäufer die Sicherheit, dass der Verkauf auch wirklich stattfindet und außerdem sehr schnell. Und wenn auch noch der Verkäufer ein Konto bei der FIDOR Bank hat, dann hat dieser im Regelfall innerhalb von Sekunden das Geld aus dem Verkauf auf seinem Konto. Und der Käufer hat innerhalb von Sekunden seine Bitcoins, so wie auf einer Börse.
FerryHouse: Was sind die nächsten Ziele von Bitcoin Deutschland?
Oliver Flaskämper: Das Hauptziel ist es, den Anteil des „Express-Handels“ weiter auf mindestens 50 Prozent zu erhöhen. Zudem wollen wir mittelfristig eine richtige Bitcoin-Börse anbieten plus Zahlungsdienstleitungen, wie BitPay sie anbietet. Damit können Unternehmen Bitcoin als Zahlungsmöglichkeit anbieten, selbst aber sofort Cash erhalten. Doch dafür braucht man wieder eine gesonderte Erlaubnis von der BaFin.
FerryHouse: Noch werden Bitcoins vor allem zur Spekulation genutzt. Welche Anzeichen sehen Sie dafür, dass sich das irgendwann ändert und Bitcoin vermehrt als Zahlungsmittel verwendet wird?
Oliver Flaskämper: Das ändert sich gerade. Es gibt immer mehr auch namhafte Unternehmen, die die Bezahlung mit Bitcoin in ihren Online-Shops anbieten, darunter zuletzt PayPal und Microsoft. Gleichzeitig wird Bitcoin auch immer mehr als Zahlungsmittel genutzt.
Dies ist auch einer der Gründe dafür, dass der Bitcoin-Kurs in der letzten Zeit gefallen ist. Denn viele Shops verkaufen die eingenommenen Bitcoin sofort wieder, wodurch sich das Angebot auf dem Markt erhöht und der Kurs sinkt. Das Schöne an einem funktionierenden Markt ist aber, dass sich Angebot und Nachfrage am Ende immer irgendwo ausgleichen.
Es gibt heute schon auch echte Vorteile für Kunden, die mit Bitcoin bezahlen. Sie erhalten nämlich teils erhebliche Boni oder Rückerstattungen.
Die Verkäufer wollen, dass die Kunden mit Bitcoin zahlen, weil dadurch die Gebühren wegfallen, die bei einer Zahlung mit PayPal oder mit Kreditkarte fällig werden würden. Bitcoin-Zahlungen hingegen sind sowohl für den Käufer als auch für den Verkäufer praktisch kostenlos. Zudem sind die Überweisungen sicherer. Bitcoins, die erstmal beim Verkäufer sind, bleiben beim Verkäufer und können nicht zurückgefordert werden.
In einigen Bereichen ist Bitcoin schon ein echter Problemlöser. Da gibt es etwa die reale Geschichte, wie ein Brasilianer nach Thailand reiste und dort mit seiner Landeswährung nicht weiterkam. Die wollte ihm niemand in die thailändische Währung eintauschen. Doch über das Internet fand er vor Ort jemand, der ihm Bitcoin für die thailändische Währung abkaufte. Sein Urlaub war gerettet.
Bitcoin wird zur parallelen Weltwährung
Ich denke, Bitcoin wird sich neben den Landeswährungen zur parallelen Weltwährung entwickeln, so wie es Gold im Prinzip auch gemacht hat, nur eben mit dem Unterschied, dass sich Gold nicht wirklich als Zahlungsmittel eignet. Von einem Verbot wird immer weniger geredet. Sogar die USA sind relativ entspannt und setzen auf eine vernünftige Regulierung. Denn legale Marktplätze ermöglichen den Regierungen eine Kontrolle der Zahlungen und möglichst viele Informationen darüber.
FerryHouse: Inzwischen gibt es neben Bitcoin hunderte weitere Krypto-Währungen. Was zeichnet Bitcoin gegenüber seinen Konkurrenten aus?
Oliver Flaskämper: Der größte Vorteil von Bitcoin ist, dass Bitcoin das Original ist und zuerst da war. Die anderen Krypto-Währungen sind oft sehr ähnlich. Manche virtuelle Währungen sind technisch etwas anders, möglicherweise sogar besser. Doch Bitcoin war zuerst da, daher hat sich hier schon eine starke Infrastruktur entwickelt. Auch das Venture Capital geht fast ausschließlich in Unternehmen, die primär mit Bitcoin zu tun haben.
FerryHouse: Hat Bitcoin Deutschland jemals über die Einführung alternativer Krypto-Währungen nachgedacht? Wie groß wäre der Aufwand?
Oliver Flaskämper: Ja, das haben wir. Wir haben uns auch mal die Domain litecoin.de zugelegt. Wir haben ernsthaft darüber nachgedacht, das zu integrieren. Ursprünglich war das nicht geplant, weil die anderen Währungen nur wie Trittbrettfahrer aussahen.
Wenn man sich aber die Umsätze der virtuellen Währungen ansieht, dann sieht man, dass da derzeit kein großer Markt an uns vorbeigeht. Die Marktkapitalisierung von Bitcoin ist mehr als zehnmal so groß wie der nächsten hundert Krypto-Währungen zusammen.
Das heißt natürlich nicht, dass sich da nicht noch einmal etwas ändern kann. Vielleicht ist Bitcoin irgendwann das, was AltaVista als Suchmaschine vor zehn Jahren war. Und dann kam Google und hat handstreichmäßig die Marktführerschaft übernommen.
Die beste Lösung in Deutschland ist BitPay
FerryHouse: Was sind in Deutschland die Hürden für Unternehmen, die ihren Kunden Bitcoin als Zahlungsmittel anbieten wollen?
Oliver Flaskämper: Die beste Lösung in Deutschland ist aktuell die Zusammenarbeit mit BitPay. Die haben die meiste Erfahrung. Man meldet sich dort an, ähnlich wie bei PayPal. Dann bekommt man einen HTML-Code, den man in seinen Online-Shop integriert. Und dann man Bitcoin als Zahlungsmittel akzeptieren.
Für die Händler besteht keinerlei Risiko, weil der Händler genau den Euro-Betrag erhält, den er für sein Produkt haben möchte. Das Kurswechselrisiko trägt immer der Käufer. Die Gebühren liegen bei circa 0,5 Prozent des Warenwertes. Zudem hat der Käufer kein Betrugsrisiko, wie etwa bei Kreditkarten.
Auf einer Live-Hacking-Vorführung hat jemand mal demonstriert, dass man Zugangsdaten für Postbank-Konten im Dark Net für 28,20 Euro kaufen kann. Der Verkäufer hat garantiert, dass sich auf den Konten mindestens 400 Euro befinden. PayPal-Zugangsdaten, also Login und Passwort, kosten nur 1 Cent. Wird mit solchen gekaperten Konten bezahlt, dann muss der Verkäufer, der die Zahlung erhalten hat, in den allermeisten Fällen das Geld an die Bank oder das Kreditkartenunternehmen zurückgeben.
Bei Bitcoin gibt es das nicht. Wenn der Verkäufer Bitcoins als Zahlung erhält, dann kann er diese in jedem Fall behalten. Wenn es mal Betrugsfälle wie Phishing gibt, dann ist das schlecht für den Käufer. Wenn er einen Bitcoin-Betrag an eine Betrüger-Adresse überweist, dann ist das Geld unwiederbringlich weg.
Bitcoins sind digitales Bargeld. Und genauso wie ich auf mein klassisches Portmonee aufpassen muss, muss ich auch auf meine Bitcoins aufpassen. Mittlerweile gibt es aber zahlreiche pfiffige Hard- und Software-Lösungen, die das Bezahlen vereinfachen und einen guten Schutz vor Diebstahl bieten.
FerryHouse: Gibt es für die Unternehmen, die Bitcoins als Zahlungsmittel akzeptieren wollen, regulatorische Hürden?
Oliver Flaskämper: Überhaupt nicht. Die BaFin hat entschieden, dass sogenannte „Eigengeschäfte“ wie der Kauf und Verkauf von Bitcoins für eigene Zwecke und ohne Dienstleistungscharakter für Dritte erlaubnisfrei sind. Und wenn ich ganz normal als Händler Bitcoins als Zahlungsmittel annehme, dann habe ich auch steuerlich keine Probleme.
Denn wenn ich mit einem amerikanischen Zahlungsdienstleister wie BitPay zusammenarbeite, dann laufe ich keine Gefahr, dass ich möglicherweise irgendwann Umsatzsteuer nachzahlen muss. Die USA sind umsatzsteuerrechtlich ein sogenanntes Drittland, also von der Umsatzsteuer befreit.
FerryHouse: Vielen Dank für das Gespräch.
(Fotos: Oliver Flaskämper, Bitcoin Deutschland AG)