Transfermarkt kollabiert: „Abwarten auf Anruf von 0044“

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Bundesligarekord: Schalke 04-Sportmanager Christian Heidel (53) verkaufte Leroy Sane (20) für 48 Millionen Euro an Manchester City (Foto: Youtube)
Bundesligarekord: Schalke 04-Sportmanager Christian Heidel (53) verkaufte Leroy Sane (20) für 48 Millionen Euro an Manchester City (Foto: Youtube)

Wenn FC Schalke 04 Sport-Manager Christian Heidel (53) auf Einkaufstour für neue Spieler geht, scheitert er oft an der 0044! Heidel sagte vor drei Wochen dem Westfälischen Anzeiger aus Hamm: „Wenn man mit Klubs außerhalb Englands spricht, bekommt man immer die Antwort: Wir müssen noch ein bisschen warten, es könnte ja mal 0044 anrufen, das ist dann die englische Vorwahl. Das wird sich in den nächsten Tagen noch verändern, wenn 0044 nicht anruft und außerhalb der Insel normale Marktpreise bezahlt werden. Deswegen müssen wir noch ein bisschen warten.“

Eine Branche im Geldrausch

„Der Transfermarkt hat sich komplett verändert, er ist teilweise kollabiert“, erklärte der Schalke 04 Manager dem Sportredakteur Christoph Winkel vom der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung aus Essen. Die Vereine warten möglichst lange ab, ob sich nicht doch noch ein Klub aus der englischen Premier League meldet.

Umgekehrt gilt das auch beim Verkauf von Profifußballern

Die Vereine von der Insel bezahlen in diesem Sommer 2016 Phantasiepreise. „Ich nehme mich da nicht aus. Wenn ich einen Spieler verkaufen möchte, freue ich mich auch, wenn ein Anruf mit der Ländervorwahl 0044 aus England kommt, weil man dann einfach höhere Preise erzielt“, sagte Heidel.

Für Leroy Sané (20) musste Manchester City 48 Millionen Euro an Schalke zahlen, obwohl der gerade mal 47 Bundesligaspiele für Schalke 04 hinter sich hat. Das ist Bundesligatransferrekord. „Wir hätten Leroy auch für zehn Millionen Euro verkaufen können, haben aber so lange gewartet, bis da eine andere Summe stand“, sagte Heidel. Die Ablösesumme für Sané kann sogar noch bis zu 55 Millionen Euro anwachsen.

Heidel ist aber sicher, dass sich der Markt in den nächsten Tagen noch verändern wird, dass auch wieder „normale Marktpreise“ bezahlt werden können. „Wenn 0044 eben doch nicht anruft“, sagte er.

Am 31. August 2016 endete die Sommer-Transferperiode für die europäischen Profifußballklubs. Ab dann durfte kein Spieler mehr den Verein wechseln. DER SPIEGEL berichtete:

„Ein beispielloser Exzess geht zu Ende, Wochen des Geld-zum-Fenster-Hinauswerfens.“

Bis kurz zuvor hatten die deutschen Bundesligavereine 422 Millionen Euro mit Spielerverkäufen eingeommen und 457 Millionen für 120 Zugänge ausgegeben. Auch das ist Rekord.

Der Franzose Paul Pogba (23) sei zwar ein Talent, „aber noch lange kein Überflieger“, so DER SPIEGEL. Er wechselte für 105 Millionen Euro von Juventus Turin zu Manchester United. Das sei Transferweltrekord. Pogba wird im Monat rund 1,5 Millionen Euro verdienen.

Zum Vergleich: In den 1960er Jahren war Uwe Seeler einer der besten Stürmer der Welt. Er war nie bei einem anderen Verein unter Vertrag als beim Hamburger SV und verdiente als Profi umgerechnet rund 1.300 Euro im Monat. Nach seiner Karriere kaufte er sich eine Tankstelle, die seinen Namen mit in Leuchtschrift trug. Paul Pogba verdient heute also über tausendmal so viel wie einst Uwe Seeler.

Dietmar Beiersdorfer, Vorstandsvorsitzender des Hamburger SV, fiel gegenüber dem SPIEGEL nur ein Kommentar zur Lage auf dem Fußballmarkt ein: „Irre.“ Das Geld dafür stammt aus Erlösen aus Medienrechten. Da liegt die Bundesliga im Weltvergleich nur auf Rang fünf: mit 1,4 Milliarden Euro für Medienrechte 2017.

An erster Stelle steht die National Football Leage (NFL) aus den USA mit 7 Milliarden Euro Medienrechterlösen 2017. An zweiter Stelle folgte die Premier League aus Großbritannien mit 3,3 Milliarden Euro. An dritter Stelle steht die National Basketball Association aus den USA und Kanada mit 1,5 Milliarden Euro. An vierter Stelle kommt die Primera Division aus Spanien mit 1,5 Milliarden Euro.

Die ohnehin reichen Klubs der Premier League in England schwimmen im Geld, ein neuer TV-Vertrag garantiert ihnen jährlich über drei Milliarden Euro. Selbst Durchschnittsvereine wie Stoke City haben bis zu 100 Millionen Euro für Investitionen zur Verfügung.

„Heute wird doch jeder Spieler, der zwei Beine hat, irgendwo in England gehandelt“, sagte Jörg Schmadtke, Geschäftsführer des 1. FC Köln. Und die Ziffernfolge 0044, die Ländervorwahl von England, ist zur magischen Nummer für Klubmanager und Spielerberater geworden, die für die Sommertransferperiode 2016 zusätzliche Mitarbeiter einstellen mussten, um die Anfragen aus England abarbeiten zu können. Wenn sie im Display erscheint, winkt der Superdeal.

Der dänische Nationalspieler Pierre Emile Hojbjerg stand unter Vertrag vom FC Bayern München und kickte zuletzt als Leihgabe für Schalke 04. Der HSV war interessiert und taxierte Hojbjerg auf 6 Millionen Euro. Zur Verhandlung kam es nicht. Der FC Southhampton kaufte den Mittelfeldspieler für 15 Millioenn Euro. 42 Millionen Euro kassierte Borussia Dortmund von Manchester United für Henrich Mchitarjan. Arsenal London kaufte Granit Xhake von Borussia Mönchengladbach für 45 Millionen Euro.

In der Laudatio auf Horst Hrubesch, dem Trainer der Olympiamannschaft, die in Rio die Silbermedaille gewann, sagte der ehemalige TV-Kommentator Marcel Reif bei der Ehrung in Berlin: „Obszön“ seien die Gehälter und die Transfersummen. Der Betrieb laufe Gefahr, „die Schraube zu überdrehen.“

DER SPIEGEL schrieb dazu: „Die anwesenden Manager hörten sich das entspannt an. Der Weißwein war gut temperiert, das Filet zum Hauptgang zart und perfekt gebraten. Fußball ist ein Wachstumsmarkt. Es gibt seit Jahren immer nur noch mehr Geld. Vom Fernsehen. Von Sponsoren. Von Investoren. Es läuft. Und die nächste Welle baut sich bereits auf. In China hat Staatschef Xi Jinping den Ausbau der Fußballkultur zum Staatsziel erklärt. China will eine anerkannte Profiliga aufbauen, eine Weltmeisterschaft austragen. China will den WM-Titel. Das Land beginnt, Know-how anzusaugen. Topspieler werden mit Fantasiesummen geködert.“ Ein Spielerberater aus Deutschland, der Dutzende Profis unter Vertrag hat, bekam über einen Unterhändler aus China ein Angebot zum Kauf seiner Agentur für 180 Millionen Euro. Noch hat der Berater abgelehnt. Doch demnächst warten Bundesliga-Manager nicht mehr nur auf Anrufe von 0044 aus England, sondern auch von 0086 aus China.

Christian Heidel, der neue Manager von Schalke 04: „Was wir heute für teuer halten, wird uns vielleicht nächstes Jahr schon preiswert erscheinen.“

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