Der amerikanische Traum verspricht, dass es jeder vom Tellerwäscher zum Millionär schaffen kann, wenn er oder sie nur hart genug arbeitet und zielstrebig ist. Ein solches Beispiel für den amerikanischen Traum ist die die Self-Made-Milliardärin Elizabeth Holmes. Holmes hatte es sich schon als Kind in den Kopf gesetzt, etwas „zu entdecken, das die Menschheit bisher nicht kannte“, wie sie im Alter von 9 Jahren an ihren Vater schrieb.
Unternehmergeist bewies Holmes bereits in jungen Jahren, als sie Software an chinesische Universitäten verkaufte, wie aus einem Bericht von Fortune hervorgeht. Im Jahr 2003, im Alter von 19 Jahren, gründete die damalige Stanford-Studentin zusammen mit ihrem Chemie-Professor Channing Robertson das Unternehmen Theranos, dass sich auf eine neue Form der Blutuntersuchung spezialisiert hatte.
Elizabeth Holmes: Der gelebte amerikanischen Traum
Holmes hatte die geniale Idee, ein Pflaster zu entwickeln, das nicht nur ein bestimmtes Medikament verabreichen, sondern auch die Blutdaten des Patienten messen konnte. So sollte sichergestellt werden, dass die Therapie den gewünschten Effekt erzielte oder ob die Dosierung eventuell angepasst werden musste. Mittels eines Computerchips in dem Pflaster sollte der behandelnde Arzt sofort über die medizinischen Daten in Kenntnis gesetzt werden.
Ihr damaliger Professor und späterer Geschäftspartner war sofort überzeugt von der Idee und fragte sich, warum er selbst nicht darauf gekommen war. „Ich war in diesem Feld seit 30 Jahren beratend tätig, aber ich bin nie darauf gekommen zu sagen: ‚Wir machen all diese Messgeräte und all diese Übertragungssysteme. Lasst uns die beiden kombinieren.“ Robertson versuchte zunächst die junge Elizabeth Holmes davon zu überzeugen, ihr Studium zu beenden, doch die ließ sich von ihrer Idee nicht abbringen.
„Es geht darum, Gutes zu tun. Und es geht darum, das Gesundheitswesen mit Hilfe der Eigenschaften zu verändern, die dieses Land so gut beherrscht: Innovation, Kreativität und die Fähigkeit, Technologie zur Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen einzusetzen.“ Ihr Ziel sei es, eine Technologie zu entwickeln, die das „Gesundheitswesen revolutionieren“ könne und der „Menschheit auf allen Ebenen zu helfen, unabhängig von Ort, Rasse, Alter oder Geschlecht“, erklärte die idealistische Jungunternehmerin ihrem Professor, dem langsam dämmerte, dass vor ihm eine weibliche Version von Steve Jobs oder Bill Gates stehen könnte.
Theranos wollte das Gesundheitswesen revolutionieren
Einige Jahre später hatte Theranos, eine Wortschöpfung aus den englischen Wörtern für Therapie („therapy“) und Diagnose („diagnosis“), über 500 Angestellte und Hunderte Millionen Dollar Risikokapital von Investoren eingesammelt. Das Unternehmen wurde zwischenzeitlich mit rund neun Milliarden Dollar bewertet und galt als aufsteigender Stern am Himmel der jungen Biotech-Branche. Theranos mischte den 70-Milliarden-Dollar-Markt für medizinische Diagnose auf, in dem es die gängigsten Bluttest für weniger als die Hälfte des üblichen Preises anbot. Statt dem üblichen Verfahren setzte das Unternehmen dabei auf Maschinen, die Dutzende Blutanalysen an einem einzige Tropfen Blut durchführen konnten. Herkömmliche Spritzen sollten so schon bald der Vergangenheit angehören.
Noch im letzten Jahr lag Elizabeth Holmes mit einem geschätzten Vermögen von 4,5 Milliarden Dollar an der Spitze der Forbes-Liste der reichsten Frauen, die sich ihren Reichtum selbst erarbeitet haben. Doch der amerikanische Traum ist ein zweischneidiges Schwert, denn er besagt eben auch, dass Reiche über Nacht alles verlieren können. Auch Elizabeth Holmes musste nun mitansehen, wie sich ihr Reichtum in kürzester Zeit in Wohlgefallen auflöst. Denn das einflussreiche Magazin Forbes stufte Holmes’ Vermögen drastisch herab – von 4,5 Milliarden Dollar auf Null.
Forbes: Theranos „im Grunde genommen nichts wert“
Forbes begründet seine drastische Abwertung damit, dass Holmes’ Reichtum im Wesentlichen aus ihren Theranom-Anteilen bestehe und die Firma weitaus weniger wert sei, als hinlänglich angenommen, nämlich nur 800 Millionen statt neun Milliarden Dollar. Das Unternehmen habe im Jahr 2014 lediglich 724 Millionen Dollar von Investoren eingeworben und halte Patente im Wert von rund einigen Millionen Dollar. Der Jahresumsatz falle zudem mit nur 100 Millionen Dollar vergleichsweise gering aus.
Darüber hinaus ist Theranos in eine Reihe von Problemen verstrickt, die Zweifel an der Zukunft des Unternehmens aufkommen lassen. Kritiker meldeten erhebliche Zweifel an der Technologie an. Das Wall Street Journal berichtet etwa, dass Theranos nicht einmal bei 10 Prozent seiner Bluttests im vergangenen Jahr die angeblich bahnbrechende Technologie namens „Edison“ eingesetzt habe. Angeblich hätten Theranom-Mitarbeiter selbst erheblich Zweifel an der Methode gehabt, die häufig völlig andere Ergebnisse lieferte als das herkömmliche Verfahren. Viele der Bluttests wurden deshalb im Nachhinein für ungültig erklärt.
Inzwischen ermitteln diverse US-Bundesbehörden, darunter die Gesundheitsbehörde CMS und die Behörde für Lebens- und Arzneimittel FDA, gegen das Unternehmen aus Palo Alto. Die Gesundheitsbehörde erklärte, die Theranos-Tests seien eine „direkte Gefahr für die Gesundheit und die Sicherheit von Patienten“ und drohte dem Unternehmen mit einem Verbot für die weitere Durchführung. Die FDA wartet bis heute auf Daten, die die Wirksamkeit der Theranos-Technologie belegen. Außerdem interessiert sich die US-Börsenaufsicht SEC für Theranom wegen des Verdachts auf Betrug der Investoren.
Und schließlich drohen dem Unternehmen Sammelklagen durch Patienten aufgrund der fehlerhaften Bluttests. Für die Self-Made-Milliardärin Elizabeth Holmes bedeutet dies, dass sie plötzlich vor dem Abgrund steht. Ihre Risikokapitalgeber halten Vorzugsaktien, womit Holmes im Falle einer Insolvenz als Letzte ausbezahlt würde. Damit seien Holmes’ 50-Prozent-Anteile an Theranos „im Grunde genommen nichts wert“, so Forbes, das die Jungunternehmerin deshalb aus allen Listen gestrichen hat.