Von Dubai bis Singapur: Kampf um Bausand mit fatalen Folgen

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Professor Harald Lesch warnt vor dem Sandhunger in Regionen, wo es gar keinen Bausand mehr gibt, wie etwa in Dubai oder Singapur (Foto: Youtube/Leschs Kosmos/ZDFinfo)
Professor Harald Lesch warnt vor dem Sandhunger in Regionen, wo es gar keinen Bausand mehr gibt, wie etwa in Dubai oder Singapur (Foto: Youtube/Leschs Kosmos/ZDFinfo)

Das Wüsten-Emirat Dubai will immer weiter wachsen, hat aber gar keinen Bausand. Jedes Körnchen zum Bau muss Dubai teuer importieren, weil der eigene Wüstensand vom Wind so feinpoliert wurde, dass er beim Bauen keinen Halt gibt.

Da sich Dubai aber mit dem Stadtstaat Singapur, Miami in Florida, Waikiki auf Hawai,   Cancun in Mexiko oder New York den Bauboom ebenso wie den Mangel an Bausand teilt, ist Bausand auf dem Weltmarkt zu einer heiß umkämpften Ware geworden. Harald Lesch (55), Professor für Physik an der LMU München und Lehrbeauftragter für Naturphilosophie an der Hochschule für Philosophie München, nennt den Kampf um Sand in seiner ZDFinfo-Sendung Leschs Kosmos „den neuen Goldrausch“.

Wer glaubt, den Bausand gebe es wie Sand am Meer, der irrt. Indien gehört zu den Exportländern. Sand wird in ausgetrockneten Flussbetten abgebaut. Dort gibt es viel Sand zu holen. Noch. Obwohl der Sandabbau vielerorts schon verboten ist, wird der Rohstoff noch immer abgebaut.

Aus vielen Teilen der Welt kommt die Nachricht vom gestohlenen Sand. Auch in Afrika hat der Run auf das begehrte Gut begonnen. Dafür tauchen Männer metertief. Oft unter lebensgefährlichen Bedingungen. Für wen sie diese Knochenarbeit machen, ist den Männern egal. Mit Sandklau lässt sich viel Geld verdienen. Inzwischen hat sich laut Professor Lesch eine regelrechte Sandmafia organisiert. Bausand wird knapp. Und damit werden die Geschäfte immer lukrativer.

Im Stadtstaat Singapur kommt das Leben nicht zur Ruhe. Er ist Dreh- und Angelpunkt Südostasiens. Doch der Globalplayer hat ein Problem. Er platzt aus allen Nähten. Die Halbinsel gerät an ihre Grenzen. Um dem Kollaps zu entgehen, wurde Singapurs Fläche in den vergangenen Jahren schon um 20 Prozent vergrößert. Doch der kleine asiatische Stadt hat Hunger nach mehr. Der Schlüssel für Wachstum: Sand und nochmals Sand. Als Füll- und Schüttgut oder gebunden in Asphalt und Mörtel ist er der wichtigste Rohstoff. Doch im kleinen Singapur sind die eigenen Ressourcen schon seit langem aufgebraucht. Die Entwicklung der Infrakstruktur ist abhängig von den Nachbarstaaten.

Singapur bedient sich an den sandreichen Küsten von Kambodscha, Vietnam, Malaysia und Indonesien.

Der schwunghafte Handel mit Sand bleibt dort nicht ohne Folgen. Der Sand ist die Grundlage des Lebensraumes vieler Meeresbewohner. Fische und Krebstiere ernähren sich von Kleinstlebewesen, die in den Zwischenräumen der Körner gedeihen. Die Winzlinge stehen am Beginn der Nahrungskette und sichern das Überleben zahlreicher Arten.

Für den Abbau des begehrten Rohstoffs durchfurchen riesige Schwimmbagger den indonesischen Meeresboden. Der massive Eingriff ist das Todesurteil für ungezählte Lebewesen. Wer nicht sofort umkommt, dem entziehen die Bagger die Nahrungsgrundlage. Mit der Zeit veröden die Küstenmeere. Leidtragende sind die heimischen Fischer, die vom traditionellen Fischfang leben. Die Furchen im Untergrund verändern auch die Strömungsverhältnisse. Ganze Inseln sind auf diese Weise im indonesischen Archipel schon verschwunden. Doch die Gier nach dem kostbaren Baustoff kennt in Singapur keine Grenzen. Es soll bis 2030 um weitere Hundert Quadratkilometer wachsen. Selbst ein offizieller Lieferstopp der Nachbarstaaten, die dem Raubbau Einhalt gebieten wollen, scheint den Nachschub nicht zu bremsen. Auf unbekannten Wegen erreicht Singapur stetig weiter frischer Sand. Woher er auch immer kommen mag. Für Nachforschungen ist durch die örtlichen Behörden keine Zeit. Denn die Stadt wächst weiter.

Professor Lesch: „Irgendjemand kann immer liefern. Da ist kein Sand im Getriebe. Ist doch interessant, dass die Sandquellen von Singapurs Neubauten und Festlandserweiterungen nicht immer bekannt sind. Da verläuft so manche Recherche – Sie sagen es – im Sande. Die übergroße Nachfrage und das zu geringe Angebot rufen natürlich das organisierte Verbrechen auf dem Plan. Der drastische Sandabbau verursacht globale Umweltschäden, vor denen der globale Sandhandel natürlich den Kopf in den Sand steckt.“

Aber Sand ist nicht gleich Sand. Und so kommt es, dass selbst die, die in Sand schwimmen, nicht genug davon kriegen können.

Dubai: Sand, soweit das Auge reicht. Und inmitten der Wüste Luxus und Größenwahn. Bauboom und Sandverbrauch des Wüsten-Emirats brechen weltweit alle Rekorde. Im höchsten Gebäude der Welt, dem 828 Meter hohen Burj Khalifa mit 163 Stockwerken, stecken insgesamt 400.000 Tonnen Sand. Das entspricht 15.000 Lastwagen voll. Auch die Glasfassade, so groß wie die Fläche von 12 Fußballfeldern, besteht aus geschmolzenem Sand. Der wertvolle Baustoff scheint im Überfluss vorhanden. Vor der Tür. Doch der Schein trügt. Denn der Wüstensand taugt nicht zum Bauen. Die Form des Kornes ist entscheidend. Wüstensande sind äußerst fein und rund geschliffen. Sie bieten untereinander keinen Halt. Für die Herstellung von Beton sind sie deshalb ungeeignet. Doch in Dubai plant, konstruiert und baut man unaufhaltsam weiter. Dubais Bausandbedarf ist enorm. Nur wo kommt der Bausand her?

Eine Quelle des kostbaren Rohstoffs liegt nicht weit entfernt. Im flachen Meer, dem Persischen Golf, vor der Küste. Dort sind die Sandkörner kantig. Bester Bausand. Ideal für Aufschüttungen und zur Herstellung von Beton für gigantische Bauprojekte. Künstliche Inseln vor den Küsten Dubais, geschaffen aus 400 Millionen Tonnen Meeressand. Der Rohstoff aus dem Meer beflügelt die Träume so mancher Investoren, die an unerschöpfliche Sandreserven glauben. Was kostet schon die Welt? Im reichen Emirat entstehen künstliche Inseln in Form der Kontinente. Der Hunger nach immer Mehr hat inzwischen die eigenen Ressourcen erschöpft. Und die Suche nach dem neuen Gold eröffnet.

Bausand muss nun importiert werden.

Nicht nur aus den Nachbarstaaten. Selbst aus Indien, China und Australien. Mehrere Hunderttausende Tonnen pro Jahr. Für einen Wüstenstaat.

Professor Lesch: „Wenn man die Bilder aus den Vereinigten Emiraten so sieht, dann muss man schon an der Vernunft der Beteiligten zweifeln. Die Söhne und Töchter der Wüste kaufen Sand ein und setzen den Reichtum ihres Landes entweder in den Sand oder in Sandburgen ins Meer. Also jetzt mal ganz vorsichtig ausgedrückt. Eine nachhaltige Entwicklungsoption ist das nicht für diese Weltregion. Ich weiß, wir in Deutschland haben gut reden. Wir haben ja Sand in Hülle und Fülle. Und wir haben den richtigen.“

Die Vorkommen an Kiesen und Sanden sind über ganz Deutschland verteilt. Aber nicht gleichmäßig. Sie konzentrieren sich im Norden und Süden und entlang der Flusstäler von Rhein, Main, Donau, Weser, Elbe und Oder. Dieser Reichtum stammt aus einem Deutschland vor rund 20.000 Jahren: Deutschland liegt unter dicken Eisschilden begraben. In Süddeutschland schieben sich Gletscher bis ins Alpenvorland. Von Skandinavien gelangen die Gletschern weit nach Süden. Sie bedecken ganz Mitteleuropa. Wie Planierraupen wälzen sich die Eismassen über das Land. Sie hobeln das Gestein ab und schieben das Geröll vor sich her. Milliarden Tonnen an Gestein gelangen von den Alpen nach Süddeutschland und aus Skandinavien in den Norden des Landes. Als sich das Klima erwärmt, schmelzen die Gletscher ab und lassen ihre Fracht zurück. Neben Geröll und Kies Unmengen Sand.

Die Hinterlassenschaften der Eiszeit in Nord- und Süddeutschland bilden die Resourcen der modernen Bauindustrie. Allein im Alpenvorland lagern Vorräte von Hundert Milliarden Tonnen, schätzen Wissenschaftler heute. Und das könnte den Bedarf von  über 1.000 Jahren decken. Auch wenn zwei Drittel der Sandvorräte unter Städten, Straßen und Kulturflächen liegen. Und für die Bauindustrie unerreichbar ist. Dennoch geht uns der Rohstoff Sand so schnell nicht aus. Flüsse liefern den Rohstoff stetig nach.

Professor Lesch: „Neben Wasser ist Sand das am meisten verbrauchte Wirtschaftsgut. Hätten Sie nicht gedacht, ja ich auch nicht. Durch was wird es verbraucht? Durch Spekulationsblasen in Form von Immobilien. Und zwar in Asien und Europa. Da steckt er nämlich in den Immobilien im Beton. Und zwar für immer. Da ist der Sand für immer verschwunden. Jetzt könnte man sich wirklich mal überlegen, das habe ich mir auch überlegt: Gibt es jetzt nach dem Peak Oil dann auch einen Peak Sand? Also die erste Sandkrise. Würde das bedeuten: Baufreie Sonntage? Dubai, Singapur, Miami? Na ja, dann müssten halt alternative Fördermethoden ran. Ich kann mir das gut vorstellen: Eines schönen Tages wird man unter dem Eis der Arktis den Sand absaugen.“

https://www.youtube.com/watch?v=YKJE_k7FrA4

2 KOMMENTARE

  1. Es wird vermutlich in absehbarer Zukunft so sein, dass einige ihr Vermögen am Finanzmarkt, auch auf Sand setzen werden. Wie es so aussieht, bedeutet das keineswegs, das Vermögen „in den Sand“ zu setzen.

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