Steuersünder müssen in Deutschland normalerweise keine neugierigen Finanzbeamten fürchten. Dafür sorgen das strenge deutsche Bankgeheimnis, fehlendes Personal in den Finanzämtern sowie lasche Kontrollen bei Geldwäsche in einigen Bundesländern. Doch nun hat die EU-Kommission ein Verfahren gegen Deutschland eingeleitet.
Seit 1990 werden die deutschen Bürger durch den Bankgeheimnis-Paragrafen 30a der Abgabenordnung geschützt. Dieser verbietet jede Nachfrage nach Depotständen oder Kontobewegungen ins Ausland von vornherein. Das Finanzministerium sagte dazu in einer Stellungnahme:
„Das Recht des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner personenbezogenen Daten zu bestimmen, hat nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Verfassungsrang.“
Es ist nun aber nicht so, dass die deutschen Banker nicht plaudern dürften. Es ist vielmehr so, dass die Finanzbeamten gar nicht erst fragen dürfen. Ihnen sind durch den Paragrafen 30a AO „Schutz von Bankkunden“ die Hände gebunden. Die Ermittlungsmöglichkeiten der Finanzbehörden werden gesetzlich wie folgt beschnitten:
- Zum Zweck der allgemeinen Überwachung dürfen die Finanzbehörden keine einmaligen oder periodischen Mitteilungen von Konten bestimmter Art oder bestimmter Höhe verlangen.
- Im Rahmen einer Außenprüfung beim Kreditinstitut dürfen Finanzbehörden keine Kontrollmitteilungen über Kontenguthaben oder Depots zwecks Überprüfung der Angaben des Steuerpflichtigen verlangen.
- In Vordrucken für Steuererklärungen darf die Angabe von Konto- beziehungsweise Depotnummern des Steuerpflichtigen nicht verlangt werden. Dies gilt jedoch nicht, wenn steuermindernde Ausgaben oder Vergünstigungen geltend gemacht werden oder wenn die Angaben für die Abwicklung des Zahlungsverkehrs mit dem Finanzamt notwendig sind.
- Ein Einzelauskunftsersuchen darf erst dann an das Kreditinstitut gerichtet werden, wenn ein an den Steuerpflichtigen gerichtetes Auskunftsersuchen keinen Erfolg hatte oder keinen Erfolg verspricht.
Nur wenn der Bürger vom Finanzamt etwas haben will oder wenn er eine an ihn persönlich gerichtete Auskunftsbitte des Finanzamtes abgelehnt hat und damit rechtzeitig gewarnt wurde, darf das Finanzamt an die jeweilige Bank ein Auskunftsersuchen stellen, das die Bank dann nicht verweigern darf. Dasselbe gilt im Todesfall für Erbschaftsauskünfte.
Zwar dürfen Finanzämter, Arbeitsämter, Sozialbehörden, die Familienkasse und das BaFöG-Amt seit dem 1. April 2005 über die Bonner Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin heimlich, also ohne den Betreffenden zu informieren, und auch ohne jegliche Begründung Daten von Kontoinhabern abfragen. Jedoch besteht der Zugriff nur auf so genannte Kontostammdaten. Kontostände und Kontobewegungen können nicht eingesehen werden.
Dänemarks Steuerministerium prüft Visa-Abrechnungen
Die Finanzbeamten schielen neidisch nach Dänemark, das ein eigenes Steuerministerium hat und keinerlei Beschränkungen unterliegt. Dieses Skat hat zum Beispiel im vergangenen Jahr eine Liste mit 55 Schwarzgeld-Oasen in der Welt zusammengestellt.
Alle dänischen Banken wurden unvorbereitet aufgefordert, dem Steuerministerium alle Transaktionen in diese Gebiete zu melden. Dänemark rechnet aus dieser Aktion in den nächsten zwei Jahren mit Steuereinnahmen zwischen 300 und 500 Millionen Euro. Eine 100köpfige Arbeitsgruppe wertet dafür hunderttausende Datensätze aus.
In Deutschland mit 15 Mal so vielen Einwohnern (81,8 Millionen in Deutschland, 5,6 Millionen in Dänemark) brächte eine solche Maßnahme dem Fiskus Milliarden ein, wenn die Beamten denn dürften.
Ein interessanter Nebeneffekt der dänischen Aktion war eine Enttarnung all jener, die fälschlicherweise angaben, die meiste Zeit im Ausland zu leben und deshalb keine Steuern zahlen zu müssen. Denn sie werden beispielsweise dank ihrer Kreditkartentransaktionen im dänischen Supermarkt des Gegenteils überführt. Hier erwartet das dänische Steuerministerium eine Einnahme von 60 Millionen Euro.
Eines konnten aber selbst die Dänen nicht lösen: Eine Kontrolle darüber, wer wieviel Bargeld in einem Koffer ins Ausland schafft, ist auch für sie unmöglich.
Personalmangel in den Finanzämtern
Hinzu kommt der Personalmangel an Umsatzsteuer-Sonderprüfern. Berlin zum Beispiel verschenke zurzeit Millionen, weil bei den Berliner Finanzämtern jede vierte Stelle für Umsatzsteuer-Sonderprüfungen unbesetzt sei, wie der grüne Senatsabgeordnete Oliver Schruoffeneger dem Berliner Kurier erklärte.
„Gerade in den Bereichen, wo viel Geld erwirtschaftet werden könnte, wo es darum geht, Steuerbetrug und Schwarzarbeit aufzuklären, ist die schlechteste Personalausstattung vorhanden.“
Die Länder Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt würden die Geldwäsche zu lasch kontrollieren, so die EU-Kommission. Konkret lautet der Vorwurf: „Es bestehen Mängel in Bezug auf Immobilienmakler, Versicherungsvermittler und Anbieter von Waren, wenn diese Zahlungen von über 15.000 Euro in bar abwickeln.“
Die EU-Kommission hat deshalb am 27. Januar 2011 gegen Deutschland ein Geldwäsche-Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Sie setzt Deutschland nun eine Frist von zwei Monaten (bis 29. März 2011), um eine Stellungnahme zu der vernachlässigten Geldwäsche-Richtlinie in den beiden Bundesländern abzugeben. Greift Deutschland nicht genug durch, kann die EU-Kommission auch den Europäischen Gerichtshof anrufen.
Die Geldwäsche-Richtlinie der EU Nummer 2005/60/EG (RICHTLINIE 2005/60/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 26. Oktober 2005 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismus-Finanzierung) hätte von den EU-Staaten eigentlich schon zum 15. Dezember 2007 umgesetzt werden müssen.
In Deutschland ist das aber Hoheitssache der einzelnen Bundesländer. Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt haben es aber laut EU-Kommission bis heute versäumt, zuständige Behörden zu benennen, die wiederum die Händler, Makler und Versicherungsvermittler kontrollieren.
Diese sind zwar verpflichtet, ihre Kunden bei Umsätzen ab 15.000 Euro zu identifizieren und verdächtige Finanzoperationen zu melden. Doch wem sollen sie diese Daten melden, wenn es gar keine Kontrollbehörde gibt, da sie nicht ernannt wurde?
Also kann man in zwei der ärmsten Bundesländer Deutschlands Schwarzgeld ohne Angst vor Entdeckung in Immobilien, Versicherungen, Juwelen, Luxusuhren oder Luxusautos waschen.
EU warnt vor Kriminalität und Terrorismus
Warum die EU-Kommission so hart durchgreift und ein Verfahren gegen Deutschland eingeleitet hat, begründet sie in Ihrem Schreiben an die deutsche Bundesregierung mit der Gefahr einer Förderung von Kriminalität und Terrorismus. Die EU-Kommission schrieb in der Verfahrensbegründung:
„Die Geldwäsche stellt international ein ernsthaftes Problem dar. Alle Verursacher, egal ob korrupte Diktatoren, Drogenhändler, Menschenhändler, Betrüger oder Erpresser, haben eines gemeinsam: Sie müssen den Geldfluss und die Geldeinlagen verschleiern, damit sie rechtmäßig erscheinen. Große Mengen illegaler Geldströme bedrohen sowohl den Ruf als auch die Stabilität des Finanzsystems und gefährden somit das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarkts.“
„Wenn die Vorschriften zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung nicht angemessen umgesetzt werden, können Kriminelle und terroristische Organisationen Lücken im System leichter erkennen und ausnutzen. Die Überwachung benannter Einrichtungen ist aus diesem Grund ein wichtiger Bestandteil eines soliden und umfassenden Systems zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung.“