Digitaler App-Wahnsinn zwischen Zoom, Teams, Slack und weitere Apps beeinträchtigen die Produktivität der Mitarbeiter. Dazu kommt eine Reihe weiterer Apps zur Aufgabenplanung, Arbeitszeiterfassung und Dateiverwaltung, die eigentlich die Produktivität steigern sollten.
Überlastung durch Technologie und aufgeblähte IT Apps
Das Hin- und Herwechseln zwischen verschiedenen Apps zur Erledigung von Aufgaben kostet die Mitarbeiter Zeit, Effizienz und Engagement. Kann man überhaupt etwas tun? Wenn Ihr Arbeitsplatz in etwa so aussieht, leiden Sie möglicherweise unter einer App-Überlastung. Der digitale App-Wahnsinn hat viele Namen, aber die Geschichte ist dieselbe: Mitarbeiter werden von einer ständig wachsenden Anzahl spezialisierter Software überschwemmt, die den Arbeitstag zu einer unzusammenhängenden Plackerei macht.
Tools für den Arbeitsplatz waren noch nie beliebt, denn wer füllt schon gerne Spesenabrechnungen selber aus? Als die Pandemie ausbrach, wurden virtuelle Kommunikations- und Kollaborationsprogramme für Unternehmen unerlässlich und der App-Wahnsinn hat angefangen. Neue Mitarbeiter wurden mit einer App eingearbeitet, mit einer anderen geschult und mit einer dritten befragt.
Mit dem Fortschreiten von Covid-19 veranlasste die Besorgnis über Burnout und Rekordkündigungsraten die Unternehmen, Programme für Wohlbefinden und Anerkennung einzuführen. Abtrünnige Arbeitnehmer und Teams brachten auch ihre eigenen Lieblingstools ein. Apps über Apps, alle mit unaufhörlichen Benachrichtigungen, kryptischen Passwörtern und verworrenen Protokollen.
Unternehmen probieren hunderte Apps im Zuge der Digitalisierung aus
Laut Okta, einem Anbieter von Cloud-Software, haben Unternehmen im vergangenen Jahr durchschnittlich 89 verschiedene Apps eingesetzt, 2015 waren es noch 58. Bei großen Arbeitgebern liegt diese Zahl jetzt bei 187. Laut einer Umfrage von WalkMe, einem Anbieter von Unternehmenssoftware, unter leitenden Angestellten sind fast 30 % dieser Apps doppelt vorhanden oder bringen keinen zusätzlichen Nutzen.
Eine kürzlich durchgeführte Studie mit 20 Teams bei drei großen Arbeitgebern ergab, dass die Mitarbeiter jeden Tag 1.200 Mal zwischen verschiedenen Apps und Websites hin- und herschalten. Das sind knapp vier Stunden pro Woche oder etwa fünf Wochen im Jahr, die mit der Alt-Tab-Taste verbracht werden. Die Forscher nannten dies die „Umschaltsteuer„, aber unter Psychologen ist es besser bekannt als „Kontextwechsel“ – eine Angewohnheit, die es schwer macht, sich zu konzentrieren, und die uns mit der Zeit stresst.
„Im Grunde ist die Art und Weise, wie wir arbeiten, selbst eine Ablenkung„, so Rohan Narayana Murty, Gründer und Chief Technology Officer bei Soroco, einem Unternehmen, das mit Hilfe von maschinellem Lernen herausfindet, wie Arbeit erledigt wird, und das die Studie über das Umschalten durchgeführt hat. „Den ganzen Tag lang wechseln wir zwischen verschiedenen Anwendungen hin und her.
Frustrierte Mitarbeiter veranlassen Unternehmen
Die Frustration über die Technologie um den App-Wahnsinn in großen Unternehmen hat im letzten Jahr durchschnittlich 76 Mitarbeiter dazu veranlasst, das Unternehmen zu verlassen, so die Ergebnisse der amerikanischen WalkMe-Umfrage. „Die Menschen haben nur eine bestimmte Toleranzschwelle, und dann ziehen sie sich einfach zurück“, sagte Bob Ellis, globaler Leiter der Talent- und Organisationspraxis bei Infosys Consulting.
App-Wahnsinn kann jeden Arbeitsplatz treffen. Eine Friseurin aus New York City berichtet über Ihren Alltag mit den Apps. Das Unternehmen verwendet eine App für die Terminplanung, eine andere für die Friseure, um mit dem Büropersonal zu chatten, und eine dritte für Personalfunktionen wie Gehaltsabrechnung und Urlaubsanträge. Erschwerend kommt hinzu, dass die Geschäftsführung die HR-App seit Arboledas Antritt dreimal geändert hat.
„Wenn es nicht kaputt ist, sollte man es nicht reparieren“, sagt sie. Die Apps können zeitraubend sein, vor allem, wenn sie sich aus einer der Apps ausloggt, ihr Passwort vergisst und einen Manager bitten muss, ihr wieder hineinzuhelfen. Die Chat-Benachrichtigungen sind ständig präsent und lenken sie besonders an ihren freien Tagen ab. Aber wenn sie sie ausschaltet, „vergesse ich, sie wieder einzuschalten.“
Digitalisierung mit Startschwierigkeiten
Wenn ein Friseursalon mehrere Apps benötigt, stellen Sie sich ein Dienstleistungsunternehmen mit Dutzenden von Kunden vor, von denen jeder seine eigenen bevorzugten Programme hat, die es zu beherrschen gilt. Es macht natürlich Sinn mit seinen Arbeitskollegen auf schnelle Weise zu kommunizieren und seinen Workflow zu teilen. Einzelne Apps sind besser in Kleinigkeiten als Andere, wodurch ganz leicht der App-Wahnsinn entsteht.
„Es gehen intern ständig Nachrichten hin und her, in denen gefragt wird, wo verschiedene Dinge für verschiedene Kunden sind. Ist es in einem Google-Dokument? E-Mail? Dropbox? Slack? Es könnte überall sein.“ Und viel Glück beim Versuch, Apps zu eliminieren: „Die Kunden werden einfach jemanden finden, der so arbeitet, wie sie es wollen.“
Der Wandel der Arbeitswelt nach Covid-19 ist nicht der einzige Auslöser dafür. In den Jahren vor der Pandemie wechselten die Unternehmen von Mainframe-Softwareanwendungen alter Schule zu billigeren Cloud-basierten Anwendungen, auch bekannt als Software as a Service (SaaS). Der 247 Milliarden Dollar schwere SaaS-Markt wird von Anbietern wie Salesforce Inc., Oracle Corp., SAP SE, Google und Microsoft Corp. beherrscht, dessen Videokonferenzdienst Teams inzwischen mehr als 270 Millionen aktive Nutzer hat, 2019 waren es noch 20 Millionen.
Apps mit übergreifenden Funktionen sind Mangelware
Cloud-Apps sind einfach zu erstellen, zu kaufen und einzuführen, was zu dem geführt hat, was der JDC Group als „Mix und Match von Arbeitsabläufen“ bekannt ist. Zum Beispiel könnten Mitarbeiter es vorziehen, ihre Videoanrufe über Zoom zu führen, dessen Marktanteil sich seit 2019 fast verdreifacht hat. Aber während dieser Anrufe chatten sie auch auf Slack und teilen Dokumente über Microsofts Teams, das nahtlos in Word, PowerPoint und Excel integriert ist.
Einst berühmte Apps wie Skype, arbeiten hart daran, brandneue Arbeitsplatzanwendungen zu entwickeln, wie z. B. Viva von Microsoft, eine auf Mitarbeiter ausgerichtete Plattform, die Dinge wie Mitarbeiterumfragen, Lernen und Zielverfolgung abwickelt. Die Mitarbeiter von Unilever Plc und PayPal Holdings Inc. gehören zu den 10 Millionen Nutzern, die alle darauf hoffen, dass eine weitere App den Unterschied ausmachen wird und den App-Wahnsinn beenden wird.
Einige Start-ups gehen sogar noch weiter und versuchen, Googles Chrome und andere werbegestützte Webbrowser zu ersetzen. Eines von ihnen testet derzeit einen auf Unternehmen ausgerichteten Browser, mit dem Mitarbeiter schnell zwischen Anwendungen wechseln und jedes Dokument oder jede Website leicht finden können. Dennoch ist es oft nicht klar, ob neue Ansätze das Durcheinander vergrößern oder verringern. „Jeder denkt, dass der Kauf eines Werkzeugs das Problem lösen wird“, sagt Dr. Sebastian Grabmeier von Jung DMS. „Das geschieht alles mit den besten Absichten und genau das ist der springende Punkt. Es ist der Tod durch 1.000 gute Absichten“, ergänzt der Pionier des digitalen Finanzvertriebs, Dr. Sebastian Grabmaier.
(TB)